Tullas „Rheinkorrektion“ + ländliche Lebensweise – Besuch im Riedmuseum Ottersdorf vom 5. Juli
Acht Senioren machten sich um 14.00 Uhr in zwei PKWs auf den Weg ins knapp 2.500 Einwohner zählende Ottersdorf, das 1971 von Rastatt eingemeindet worden war. Im Zentrum beherbergt die Rheingemeinde ein originalgetreu erhaltenes und liebevoll umgewidmetes ländliches Anwesen im Fachwerkstil mit Wohn- und Ökonomiegebäuden. Bis 1994 wohnte dort für über 250 Jahre eine Bauernfamilie in einem typischen Küchenflurhaus, das seit 2001 der Öffentlichkeit als Freilichtmuseum zugänglich ist. Lokale Sponsoren haben
dies ermöglicht. Außerdem ist das Riedmuseum ein Teil des grenzüberschreitenden PAMINA-Rheinparks.
Die Küche bildete nicht nur die zentrale Wärmequelle, sondern auch den Wirtschaftsraum für die Zubereitung von Nahrung für Mensch und Tier, aufwändige Haltbarmachungsprozesse wie Räuchern inbegriffen. Die Stube war der Kommunikationsbereich, in welchem auch kleinere handwerkliche Reparaturarbeiten und hauswirtschaftliche Tätigkeiten wie Textilpflege, Nähen und Ausbessern durchgeführt wurden. Karg waren die Schlafkammern, die in einer späteren Umbauphase durch Zusammenlegung vergrößert wurden. Heute ist das Haus mit Möbeln von 1900 bis zum Stil der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ausgestattet. Damit wird auch dokumentiert, dass Bauernfamilien nichts Brauchbares wegwarfen. Obwohl die ehemaligen Besitzer zu den wohlhabenderen Landwirten im Ried gehörten, verzichteten sie auf praktisch jede Dekoration. Alles diente der Zweckmäßigkeit, so auch die zahlreichen Lagerräume, die für Selbstversorger zwingend notwendig waren und das etwas separierte Altenteil mit eigener Küche, das die alten Hofübergeber bis zu ihrem Tod bewohnten und wo sie auch aus Feldfrüchten und tierischen Erzeugnissen des Hofs versorgt wurden.
Im Obergeschoss des Hauses finden sich ergänzende Ausstellungsstücke zu den Themenbereichen Bekleidung, religiöses Brauchtum und Wandbilder. Die Familie betrieb eine Ölmühle für sich und die anderen Dorfbewohner in einem eigenen Gebäude, die in ihrem Urzustand aus dem 19. Jahrhundert zu besichtigen ist. Ursprünglich mit Wasserkraft in Gang gesetzt, übernahm den Antrieb für die Presse später ein Pferd. Verarbeitet wurden Raps, Mohn, Lein und Walnüsse, bei dürftigen Ernten auch Bucheckern. Die Arbeitsschritte Reinigen, Mahlen und Pressen sind heute noch immer die gleichen, auch wenn die Technik sich geändert hat.
Die ehemalige Scheune ist ganz dem Thema „Rheinkorrektion“ des Ingenieurs Johann Gottfried Tulla (1770-1828) gewidmet. Seine Rheinbegradigung, welche die Anwohner vor den unberechenbaren Überflutungen weitgehend schützte, die Schiffbarkeit verbesserte und das „Sumpffieber“ (Malaria) eindämmte, hatte allerdings auch Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel, die Besonderheiten der Auenlandschaften und die weiter nördlich gelegenen Regionen. In einem anschaulichen 6 x 2,5 m messenden Modell, das den Rheinverlauf zwischen Hügelsheim und Steinmauern simuliert, werden die Wirkungen der „Rheinkorrektion“ einschließlich „Flutung“ verdeutlicht. Zusätzliche Karten, Diagramme und andere Darstellungen vermitteln tiefer gehende Informationen zur damaligen Vorgehensweise, den daraus entstandenen Konsequenzen und den ausgleichenden Maßnahmen bis heute.
Auch wenn alle Exponate ausführlich, eingängig und gut lesbar beschriftet sind, freuten sich die Besucher über die kompetente Auskunftsbereitschaft zu allen Fragen durch die beiden Aufsicht führenden Damen. Nach etwa eineinhalb Stunden Zeitreise kehrten die Kolping-Senioren ins heimatliche Bühl zurück. In gemütlicher Runde tauschten sie sich über das Gesehene, das alle sehr beeindruckt hatte, in der neu gestalteten Außengastronomie des „Deutschen Kaiser“ aus.
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