Ausflug nach Limburg vom 23./24. September

Eine beeindruckende mittelalterliche Umgebung an den stillen Wassern der Lahn

Am Samstagmorgen um 8 Uhr stiegen 36 frohgestimmte Mitglieder der Kolpingsfamilie Bühl in den Bus zum 230 km entfernten Limburg an der Lahn. Jeder fünfte Teilnehmer war unter 20 Jahren. In der allerseits erwartungsvollen Munterkeit entwickelten sich auf allen Plätzen anregende Gespräche, so dass die zügige Fahrt auf der A5 und der A3 recht kurzweilig verlief.

Die erfreulich frühe Ankunft im Hotel gab der umsichtigen Organisatorin der Reise, Andrea Groll, Gelegenheit zu einem Extra-Programmpunkt: eine Fahrt ins 8 km entfernte Heilbad Diez bei strahlendem Sonnenschein. Während eines entspannenden Bummels durch das übersichtlich-beschauliche Städtchen, bildete das mittelalterliche Grafenschloss, machtvoll auf einem Felsen thronend und aus jedem Blickwinkel sichtbar, ein anziehend-kontrastreiches Hintergrundmotiv.

Der frühe Nachmittag bot ausreichend Zeit, um in kleinen Gruppen die reizvolle Altstadt von Limburg mit ihren engen Gassen zu erkunden. Es gibt nur wenige Städte, in denen so umfangreiche mittelalterliche Bausubstanz erhalten ist. Dazu gehört das möglicherweise älteste Fachwerkhaus Deutschlands, das zu großen Teilen aus dem Jahre 1289 stammt. Es beherbergt heute das „Deutsche Centrum für Chormusik“, das die etwa 1,8 Millionen in Chören organisierten Bundesbürger in Rat und Tat unterstützt. Wie etliche der teilweise nur wenig jüngeren Fachwerkbauten ist es ein sogenanntes Hallenhaus, dessen unterstes Stockwerk, auf Straßenniveau gelegen und deutlich höher als die anderen, zum Stapeln von Gütern und dem Handel mit Waren diente. Durch Limburg lief die wichtige Handelsroute zwischen Köln und Frankfurt. Entscheidend dafür war die wohl schon im 12. Jahrhundert bestehende Holzbrücke über die Lahn. Im 14. Jahrhundert wurde sie mit einer Spannweite von 106 Metern in sechs Bögen aus Stein gebaut. Sie begünstigte die Entwicklung Limburgs zur Stadt und förderte, beschleunigt durch die Einführung des Zollrechts 1357, den Reichtum der Kommune und ihrer Bürger. 

Die ursprünglich nach Gewerben geordneten Stadtgebiete (heute noch etwa an den Namen Fisch- und Kornmarkt sowie Metzgergasse erkennbar) wurden und werden spätestens seit 1970 vorbildlich restauriert. Ihre sorgfältige Instandsetzung, die auch moderne Wohn- und Arbeitsbedürfnisse berücksichtigt, ermöglicht heute ein lebendiges Wohnen und Gewerbe Betreiben in der Altstadt. Reine Wohnhäuser wechseln mit vielfältigen Gastronomiebetrieben, Künstlerwerkstätten mit Galerien und pittoresken Geschäften für Alltagsbedarfe, wie Backwaren und Kleidung sowie einladenden Boutiquen für Schönes und Skurriles.

Den Höhepunkt am Nachmittag dieses Samstags bildete die Besichtigung des siebentürmigen Doms mit seiner prachtvollen Architektur und seiner spektakulären Lage auf einem Felsen über der Lahn. Die von manchen in der Gruppe erwartete Schwester Christiane Fritsch aus Bühl von der päpstlich anerkannten Gemeinschaft „Die geistliche Familie: Das Werk“ war wenige Tage zuvor in ihren neuen Wirkungsbereich zur Hochschulgemeinde Wien gewechselt. So erläuterten jetzt die Mitschwestern Kristien und Martina kenntnisreich, humorvoll und mitreißend Geschichte, Architektur und Ausgestaltung dieses einzigartigen Bauwerks.

Eine kleine, dem hl. Georg geweihte Kirche, vermutlich aus dem 8. Jahrhundert, war schon vorhanden, als Graf Konrad Kurzbold 910 ein Kanonikerstift gründete, eine Gemeinschaft von Klerikern aller Weihestufen, und eine größere Kirche errichten ließ. Nachdem die Limburger Bürger zu Wohlstand gekommen waren, einigten sie sich mit den Stiftsherren auf ein gemeinsames Bauwerk. In nur etwa 55 Jahren wurde die heutige Kathedrale errichtet, wobei große Teile des Vorgängerbaus integriert wurden. Die im spätromanisch/frühgotischen Stil ausgeführte Architektur wirkt gleichzeitig schlicht und gewaltig, geräumig und dennoch einladend.

Diese Anmutung erfuhr sie nicht zuletzt durch den Einbau der weißen Glasfenster. Im hellen Tageslicht sind auch die nach wiederholter Übermalung wieder freigelegten ursprünglichen Fresken an den Innenwänden dem Betrachter wieder zugänglich, wenn auch in etwas verblasstem Zustand. Sie gehören zu den ältesten ihrer Art in Deutschland. Im Mittelalter, als die allermeisten Menschen nicht lesen und schreiben konnten, waren die religiösen Botschaften an den Innenwänden der Kirchen im Bild dargestellt. An einigen Stellen verewigten sich Baumeister auch mit Selbstporträts sowie maurischen Ornamenten, die ihre internationalen Erfahrungen dokumentieren. Die bunten Rundfenster aus dem späten 19. Jh. hinter der Orgel (1978) mit ihren 4306 Pfeifen sowie die drei modernen bunten Fenster in der Apsis, der Altarnische genau gegenüber, setzen bei Sonneneinstrahlung einen überwältigenden farblichen Akzent.

Nachdem in der Romantik der Außenputz abgeschlagen wurde, um mit der grauen Steinmauer den Felsencharakter des Doms zu unterstreichen, erhielt er bei der letzten Restauration 1970-1973 sowohl Putz als auch die mittelalterliche Farbigkeit wieder. Die Besucher aus Bühl hatten Glück, das prächtige Bauwerk ganz unverhüllt erleben zu können. In Kürze muss die Außenfassade in einer auf etwa vier Jahre veranschlagten Bauzeit erneuert werden. Die Zeit der Führung verging wie im Flug, weil die beiden Schwestern mit ihrer unnachahmlichen Begeisterungsfähigkeit und ihrem Lichtzeiger auf Laserbasis diese Fülle an Informationen so unterhaltsam und spannend vermittelten. Außerdem bewiesen sie Sinn für zeitgemäße Spontan-Aktionen: Freundlich überzeugten sie die Besucher, auf der Empore in der Apsis eine spontane Gesangseinlage zu geben, die wegen der brillanten Akustik durchaus auch ein Gänsehaut-Gefühl erzeugte. 

Bei einem stärkenden gemeinschaftlichen Abendessen in der Kuschelatmosphäre unter niedrigen Decken im Obergeschoss des „Burgkeller Limburg“ wurden nicht nur die jüngsten Erlebnisse in angeregter Atmosphäre besprochen. Danach versetzte eine sinnenfrohe „Nachtwächter-Führung“ in die mittelalterliche Blütezeit des heute etwa 34.000 Einwohner zählenden Städtchens. Das Areal von Limburg war schon vor 5.000 Jahren eine beliebte Siedlungsgegend, wie jüngste Scherbenfunde belegen, doch richtig bedeutend und wohlhabend wurde die damals etwa 3.000 Einwohner zählende Stadt mit Münzrecht ab dem 12. Jahrhundert. Selbst der verheerende Brand im Jahr 1289 führte „nur“ dazu, dass die Häuser samt 9 m hoher Stadtmauer schnellstens und schöner wieder aufgebaut wurden.

Eindringlich und mit viel Gespür für Wirkung erzählte der „Nachtwächter“ von seiner damaligen Arbeit in stockdunkler Nacht, auch vom kostenpflichtigen „Heimleuchten“ betrunkener Kaufleute nach einem Geschäftsessen in der Schenke. Sehr plastisch schilderte er den Zustand der unbefestigten Straßen, durch die auch Abwässer flossen, die Müllberge vor den Häusern ohne sanitäre Anlagen, die extrem beengten Wohnverhältnisse, begründet durch Bauweise und Überbelegung, sowie die Auswirkungen der alles umschließenden hohen Stadtmauer auf die Luftzirkulation… Gleichzeitig zeugen die oft aufwändig gestalteten Fassaden mit ihren dekorativ bunten und auch immer wieder beschwörenden Schnitzereien von einer enormen Kunstfertigkeit und einem ausgeprägten Schönheitssinn. Vereinzelt zeigen sich auch Spuren von Weltoffenheit, wie eine nach italienischem Vorbild ausgeschmückte Straßenansicht oder die freigelegten Überreste einer Mikwe, dem jüdischen Ritualbad. Vor der Kulisse der nie zerstörten Häuser erstand so ein lebendiges und facettenreiches Bild des Lebens von vor über 700 Jahren.

Der Sonntagmorgen stieg leicht neblig und frisch über Limburg auf. Dieser Tag war dem Betrachten der Landschaft gewidmet. Als die Gruppe das Schiff „Wappen von Limburg“ auf der Lahn bestieg, begann sich die Sonne durch die Wolkenmassen ihren Weg zu bahnen, doch es war ein mühsamer und langwieriger. An endlosen Reihen von Campingwagen vorbei ging es flussaufwärts in nördlicher Richtung, unter der über 700 Jahre alten Steinbrücke und den modernen Lahnüberquerungen für Autos und Züge hindurch. Immer wieder begegnete das Schiff unterschiedlichen Wasservogel-Familien sowie Ruderern, für die dieses Gewässer ein ideales Trainingsumfeld bietet. Der Fluss entspringt im Rothaargebirge und mündet nach 246 km bei Lahnstein in den Rhein. Nach kurzer Zeit tauchte nach einer fast rechtwinkligen Lahnschleife auf der linken Seite der Limburger Stadtteil Dietkirchen mit seiner majestätischen romanischen Basilika St. Lubentius auf, einer ehemaligen Stiftskirche, die wahrscheinlich schon im 9. Jahrhundert eine große Bedeutung in der Region hatte. Der darunter liegende Kirchenfelsen aus Kalkstein fällt über 100 m steil zur Lahn ab.

Weiter nördlich folgte Dehrn mit seiner mächtigen Burg. In dem heute ausschließlich von Sportbooten nutzbaren Hafen wurden früher Kalkstein, Eisenerz, Tonerden und Kohle verladen. Im kurz darauf folgenden Steeden endet der mit Motorbooten befahrbare Teil der Lahn und auch das Schiff wendete. Wieder in Limburg angekommen, konnten die Bühler Kolpingmitglieder in einem Spaziergang von der mittelalterlich geprägten Umgebung Abschied nehmen, bevor der Bus sie auf der A3, A67 und schließlich wieder A5 in die Gegenwart des 21. Jahrhunderts zurückholte. Sonnenbeschienen und stauarm gestaltete sich die Rückfahrt.

Einen sehr bewegenden, das Gemeinschaftsgefühl nochmals betonenden Abschluss fand der Ausflug mit einem Gottesdienst in der lichtdurchfluteten Autobahnkirche St. Christophorus bei Baden-Baden mit ihren farbenprächtigen und ausdrucksstarken Fenstern. Für den passenden musikalischen Rahmen sorgten Moni Schmidt (Gitarre) und Christoph Schmidt (Querflöte). Diözesanpräses Wolf-Dieter Geißler brachte während seiner Zelebration zum Ausdruck, was die Teilnehmer empfanden: Es war eine inspirierende und anregende Reise, die nicht nur einprägsame Eindrücke und spannende Einsichten bereithielt, sondern auch den Kontakt zu interessanten Menschen und einen die Gemeinschaft belebenden Austausch bot.