Vortrag zur Nächstenliebe gegenüber Fremden

„Ich war fremd und Ihr habt mich aufgenommen …“ – Wie Nachfolge Jesu manchmal zum Kampf gegen Krankheiten, Gespenster und Dämonen wird – Vortrag von Dr. Jörg Sieger vom 6. November

 

20 Zuhörer wollten sich anlässlich dieser zusammen mit der Katholischen Frauengemeinschaft (kfd) Bühl organisierten Veranstaltung in der Ulrika-Nisch-Kapelle darüber informieren, warum wir uns zu Fremden oft so völlig anders verhalten als gegenüber Menschen, die wir zu kennen glauben.

Eingängig und in immer wieder überraschenden Bildern erläuterte Dr. Jörg Sieger, Projektreferent beim Diözesanen Caritasverband, wie mentale Barrieren Fremden gegenüber unser aller Alltag durchziehen: Die „Krankheit“ des kolonialen Denkens macht es uns schwer, Menschen, denen wir in einer Notsituation helfen, auch auf Augenhöhe zu begegnen. So waren die Gemeinschaftsunterkünfte, in denen Geflüchtete oft viele Monate zu Beginn ihres Aufenthalts hier zubrachten, keine „Kitas für Erwachsene“, sondern Notaufnahmelager auf Zeit. Integration, die nicht mit einer totalen Assimilation verwechselt werden sollte, gelingt nicht, wenn der Helfer sich nicht irgendwann aus dieser Rolle gegenüber dem vorübergehenden Hilfeempfänger befreit und ihn als gleichwertigen Mitmenschen begreift.

Wertediskussionen über beispielsweise das Gespenst „Leitkultur“ und deren Bedrohung durch Parallelgesellschaften verstellen den Blick dafür, dass es in unserem Land schon immer sehr unterschiedliche Kulturen gegeben hat und auch ohne den Zuzug von Geflüchteten gibt: horizontal in den einzelnen Regionen (Beispiel: Kultushoheit der Länder) und vertikal innerhalb der verschiedenen sozialen Schichten und Altersklassen.

Und Dämonen zeigen sich, in der Übersetzung des Theologen Fridolin Stier „Abergeister“ genannt, häufig in Sätzen, die mit „aber“ den eigentlich positiven Ansatz zunichtemachen: beispielsweise in „Wir wissen dass Schulbildung für die Kinder der Geflüchteten ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Integration auch ihrer Eltern ist, aber das Haushaltsdefizit lässt die dafür notwendigen Investitionen nicht zu.“

All diese Aspekte verdeutlichte Dr. Jörg Sieger auch immer wieder mit konkreten Beispielen aus Politik und Gesellschaft, wobei klar wurde, wie diese oft unbewussten Denkmuster in größeren Zusammenhängen wie auch in unserem Alltag wirken. Gleichzeitig wurde jedem bewusst, wie kompliziert Nächstenliebe werden kann, sobald Fremde im Nahbereich sichtbar werden. Übereinstimmend äußerten Teilnehmer abschließend, dass sie wertvolle Denkanstöße und neue Sichtweisen auch auf alltägliche zwischenmenschliche Begegnungen erhalten haben.