Jahresausflug Pfalz
Überwältigende Vielfalt in 13 Stunden: Jahresausflug in die Pfalz vom 18. Mai
Erwartungsvoll stiegen 31 Mitglieder der Kolpingsfamilie Bühl am Samstagmorgen um 9 Uhr in den Bus. Entsprechend der uneinheitlichen Wetterprognosen wurden auch Schirme in den Gepäckfächern verstaut. Diözesan-Präses Wolf-Dieter Geißler erteilte den Reisesegen. Er selbst fuhr separat mit dem Auto, weil ihn ab der Tagesmitte pastorale Aufgaben nach Bühl zurückriefen.
Der kundige Busfahrer fuhr auf der französischen Seite der ersten Station, dem etwas über 90 km entfernten Burrweiler in der Südpfalz entgegen. So zügig die Fahrt bis ca. 10 km vor dem Ziel verlief, so überraschend tauchte eine wohl erst am Morgen vollständig gesperrte Straße ohne ausreichende Umleitungsbeschilderung auf. Damit waren auch die mitgeführten elektronischen Ratgeber von Fahrer und Reisenden überfordert, wie auch zahlreiche Pkw-Fahrer, die sich hinter dem Bus stauten. Über den analogen Weg des persönlichen Befragens von Anwohnern fanden wir dann doch, nach einigen geschickten Fahrmanövern durch die bekannt engen Sträßchen der Pfalz, unseren ersten Haltepunkt.
Das erste Ziel war die auf dem östlichen Ausläufer des „Teufelsbergs“ in 423 m Höhe thronende St. Anna-Kapelle. Erbaut im 19. Jahrhundert ist sie alljährlich das Ziel zahlreicher Wallfahrer, die sich von Burrweiler aus auf den „höllisch“ steilen, etwa 170 Höhenmeter überwindenden Weg begeben. Unterwegs, an gepflegten Treppenstufen und auch steinigen Gebirgspfaden, erinnern die Kreuzwegstationen an den Leidensweg Jesu. Oben empfängt den Besucher eine überlebensgroße Golgotha-Skulptur, zu der Steinterrassen hinführen, die auch zum ausruhenden Lagern einladen. Die überwältigende Fernsicht weit über das Rheintal hinaus reichte an diesem Tag wegen des Dunsts leider nicht bis zum Odenwald.
Für die Teilnehmer, die sich dem anstrengenden Fußmarsch nicht gewachsen sahen, führte Wolf-Dieter Geißler dankenswerterweise einen Taxiservice durch. Die Kapelle selbst bot mehr als ausreichend Raum für unsere Gruppe. Im anrührenden Gottesdienst wirkten 3 Kolping-Ministranten aus Bühl mit. Kolpings- und Dankeslieder akzentuierten den Geist dieser Feier. Während seiner Predigt erinnerte Wolf-Dieter Geißler mit einem sehr persönlich gehaltenen Dank an die kürzlich verstorbene, allseits bekannte und nicht nur von ihm wegen ihres tiefen Glaubens und ihrer stets überzeugend praktizierten Nächstenliebe sehr verehrten Ordensschwester Fridiana. Ulrika Gehring bedankte sich mit bewegten Worten und einem „süßen Geschenk“ für die zu Herzen gehende, gewohnt gemeinschaftsorientierte Eucharistiefeier.
Die nächste Station galt dem für die jüngere Geschichte des heutigen Deutschlands und seiner Entwicklung zur Demokratie so bedeutungsvollen Hambacher Schloss. Dort wurde während des „Hambacher Festes“ vom 27. Mai 1832 neben grundlegenden Menschenrechten wie Meinungs- und Pressefreiheit auch bereits eine Zusammenarbeit innerhalb Europas gefordert. Zum ersten Mal wehte die aktuelle Nationalflagge in Schwarz-Rot-Gold über diesem von etwa 30.000 Teilnehmern besuchten Ereignis. Der Ort zeigt heute eine umfassende Ausstellung zur deutschen Demokratiegeschichte, ist ständig Schauplatz vor allem kultureller Veranstaltungen und Begegnungsstätte für unterschiedlichste Menschen.
Weiter ging die Fahrt ins 23 km entfernte Zentrum der Südlichen Weinstraße, das ca. 32.000 Einwohner in der Kernstadt zählende Landau. Die sich links und rechts der Fahrtroute weitläufig und bis zum Gebirge erstreckenden, schnurgeraden Reihen von Weinreben in der flachen Ebene war für die an Weinberge gewöhnten Reisenden ein ungewohnter Anblick. Überraschend zahlreich säumten auch immer wieder großzügig dimensionierten Wohnhäuser unterschiedlichster Stilrichtungen mit häufig intensiv gepflegten Gärten und liebevoll dekorierten Höfen den Fahrweg. Es war dann keine leichte Aufgabe für den Busfahrer, sein großes Gefährt durch die verwinkelten, extrem engen, oft dicht beparkten, immer lebhaft befahrenen und zahlreich bevölkerten Sträßchen zu manövrieren, was häufig zentimetergenaues Rangieren erforderte.
Auf dem beeindruckenden Marktplatz in Landau erwarteten uns zwei Kennerinnen der Stadt, die uns in die etwa gleich großen Gruppen der „Turmbesteigungswilligen“ und der eine „ebenerdige“ Führung Bevorzugenden aufteilten. Der Weg führte zunächst zum „Galeerenturm“. Er repräsentiert als eines der wenigen erhaltenen Baudenkmäler die Günderzeit von Landau um 1260. 1291 erfolgte die Ernennung zur Reichsstadt.
Wein aus der Umgebung war das wichtigste Wirtschaftsgut der Stadt, doch gab es auch eine skurrile Besonderheit: Safran, aus den Blütennarben einer Krokussorte gewonnene Fäden, das heute teuerste Gewürz der Welt, wurde im 15. und 16. Jahrhundert im nahen Ilbesheim angebaut. Er wurde vor allem zur Farbpigmentierung in den Schreiberstuben der Klöster eingesetzt und wohl auch als Heilmittel. Heute wird der Safrananbau wieder aufgenommen.
Nach einem häufigen Wechsel der Zugehörigkeit geriet Landau nach dem Dreißigjährigen Krieg unter dem „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. mehrfach und für längere Zeit unter französische Herrschaft. Sein Militärbaumeister Vauban baute die Stadt zur Festung aus. Mit vorsätzlich gelegten Bränden wurde die mittelalterliche Bausubstanz mit ihren engen, verwinkelten Gassen zerstört und durch raumgreifende Kasernen und Aufmarschstraßen zum heute als Marktplatz dienenden Paradeplatz ersetzt.
Erst nachdem die engen Festungsanlagen nach 1871 geschleift worden waren, konnten sich Industrie- und Handelsbetriebe in größerem Umfang ansiedeln. Landau wurde zu einer wohlhabenden Stadt, was sich auch in den noch mehrfach erhaltenen repräsentativen Gründerhäusern erkennen lässt. Nachdem die Stadt an einem „Schwarzen Freitag“, dem 16. März 1945 zum 35. Mal von alliierten Bombern angegriffen wurde, war die Stadt zu 40 % zerstört.
An ein weiteres düsteres Kapitel der Region erinnert das Frank-Loebsche Haus mit seinen reich verzierten Laubengängen. Es gehörte einem Verwandten von Anne Frank, der in der Nazizeit enteignet wurde. Heute sind dort Teile der Universität sowie Ausstellungsräume untergebracht. Der Innenhof bietet einen pittoresken Rahmen für Events. In der zweitältesten Kirche der Stadt, teilweise auf 1274 zu datieren und über Jahrhunderte unterschiedlichen profanen Zwecken dienend, wird heute wieder von christlichen Gemeinden genutzt. In den bei einer Renovierung freigelegten mittelalterlichen Fresken spiegelt sich der damalige Antisemitismus in der Darstellung einiger Figuren bei Jesu Kreuzigung wider.
Vom 52 m hohen Turm der heute lutherischen Stiftskirche bietet sich ein beeindruckender Blick auf das pulsierende Landau, das mittlerweile in mehreren Fakultäten, darunter Umweltwissenschaften, etwa 9.000 Studenten beherbergt. Die Kirche selbst wurde zwischen der Reformationszeit bis 1893 von Katholiken und Lutheranern gemeinsam genutzt. Dann zogen die Katholiken in die neugebaute Marienkirche um, deren Glockenspiel auf das der Stiftskirche harmonisch abgestimmt wurde.
Nach diesem spannend und unterhaltsam gestalteten Rundgang brach die Gruppe zur letzten Etappe auf, zurück nach Burrweiler in ein von sehr entfernten Verwandten des Ehemannes der aktuellen Verteidigungsministerin geführtes Restaurant. Bei traditionellen pfälzischen Spezialitäten und moderner deutscher Küche sowie einheimischen Weinen und erfrischenden alkoholfreien Getränken ließ die Gruppe den Tag Revue passieren und in diesem stimmungsvollen Ambiente ausklingen. Dass dann auf der Rückfahrt nach Bühl tatsächlich noch starker Regen einsetzte, störte wahrscheinlich nur den Busfahrer.
Dieses breitgefächerte, gehaltvolle Programm, vom spirituellen Einstieg über einen der geschichtsträchtigsten Orte Deutschlands bis hin zum modern-quirligen und doch so traditionsreichen Städtchen Landau war von Utz Wetzel zusammengestellt worden, unterstützt von Andrea Groll aus dem Vorsitzenden-Team. Ulrika Gehring bedankte sich abschließend bei ihm und dem Fahrer, der uns so sicher durch den Tag gebracht hatte, mit Geschenken. Der Applaus der zwar meist nach diesem langen Tag müden, aber zufriedenen Teilnehmer bestätigte sie.