Besuch in der Illenau, Achern, vom 25. März

Besuch in der Illenau, Achern, vom 25. März

Um 14 Uhr trafen sich 11 Kolpingmitglieder und Gäste am Windeck-Gymnasium, um in Fahrgemeinschaften die ehemalige „Heil- und Pflegeanstalt Illenau“ anzusteuern. Die geführte Besichtigung und der Ausklang im Illenau Arkaden Bistro waren von Utz mit bewährter Umsicht organisiert worden.

Ein spannungsgeladener geschichtsträchtiger Ort, der heute den modernen Lebensformen des 21. Jahrhunderts gewidmet ist, erwartete die Besucher. Die Anlage wurde 1842 auf Initiative des badischen Arztes Christian Friedrich Wilhelm Roller gebaut. Er hatte seine Forschungen und Untersuchungen in ganz Europa in seinem Buch „Die Irrenanstalt in all ihren Beziehungen“ zusammengefasst. Dieser Begriff war im damaligen Sprachgebrauch absolut üblich, und als „irre“ wurde damals jeder mit einer diagnostizierten „Geisteskrankheit“ bezeichnet. Die Psychiatrie als umfangreiches Lehrgebäude und mit einer äußerst differenzierten Methodenvielfalt war noch gar nicht existent oder steckte höchstens in ihren Babyschuhen: So wurde beispielsweise Sigmund Freud erst 14 Jahre später geboren, und einer der Wegbereiter der Neurologie, Jean-Martin Charcot eröffnete erst 1882 seine spezialisierte Abteilung im Pariser Hôpital de la Salpêtrière.

Dem damals regierende badische Großherzog Leopold gefielen die humanen Ideen Rollers, und er unterstützte das Projekt einer Landesirrenanstalt. Die besten Voraussetzungen dafür bot ein Gelände bei Achern, nachdem bestehende Gebäude, wie auch das Hubbad in Ottersweier, durch das Anforderungsraster fielen. Die Ausführung der überwiegend mehrstöckigen Gebäude in Anlehnung an Arbeiten des Architekten Friedrich Weinbrenner zeigt wohlgeordnete, gefällige Proportionen im klassizistischen Baustil und in einer durch Gartenanlagen aufgelockerten Anordnung. Auf Ornamentik wurde weitestgehend verzichtet. Ausnahmen bilden beispielsweise zwei Bogengänge im Mittelteil des Hauptkomplexes.

Roller verwirklichte sein völlig neues Betreuungs- und Heilungskonzept u. a. im Rahmen der „Illenauer Familie“, dem alle Akteure von den Ärzten bis zu den Handwerkern angehörten. Patienten mit einer vergleichbaren Erkrankungsschwere wurden in Einheiten mit der entsprechenden Versorgung zusammengefasst, einschließlich eigener Gärten. Es gab auch bereits ein differenziertes Verköstigungsmodell, abhängig von der Zahlungskraft der Patienten, die aus unterschiedlichen Schichten stammten, auch aus Künstlerkreisen. Mit ihren Heilungserfolgen erarbeitete sich die Einrichtung sehr schnell einen guten Ruf, zog Patienten aus ganz Europa an und wurde ständig erweitert.

Obwohl sich der dann verantwortliche Direktor Hans Römer in der NS-Zeit gegen den Euthanasie-Erlass zur Wehr setzte, konnte er letztendlich den Abtransport der meisten Patienten in die NS-Tötungsanstalt Grafeneck und deren dortige Ermordung nicht verhindern. 1940 stellte die Illenau ihren bisherigen reformbasierten Heilbetrieb ein.

Nach Kriegsende wurden die Gebäude vom französischen Militär genutzt. 1999 kaufte die Stadt Achern das Gelände zurück. Seitdem wurden und werden die diversen Gebäude von unterschiedlichen privaten und öffentlichen Betreibern bezogen und davor sorgfältig und zielführend renoviert. So haben beispielsweise die einzelnen Abteilungen des Rathauses der Stadt Achern nach und nach das Zentralgebäude „erobert“.

Dr. med. Winfried Hoggenmüller führte die Gruppe mit viel Sachkenntnis und spürbarer Begeisterung für diesen Gebäudekomplex durch die mit authentischen Details ausgestatteten historischen und sorgfältig renovierten Räume, die ein eindringliches Bild von den diversen Akteuren und den ehemaligen Bewohnern vermitteln. Entspannen von der teilweise bedrückenden Intensität dieser Umgebung konnte sich die Gruppe im eher heiteren Ambiente des in dieses Gemäuer integrierten Bistros.