Führung durch das Pflege- und Betreuungszentrum Hub/Ottersweier vom 23. September
Willi Sickinger, Vorsitzender der Kolpingsfamilie Ottersweier, gestaltete den diesjährigen Kolpingsbezirks-Ausflug und 55 Teilnehmer kamen, darunter 11 von der Kolpingsfamilie Bühl. Ziel war eines der ersten Thermal-Kur- und Heilbäder auf deutschem Boden mit fürstlicher Badordnung, das heute zum Klinikum Mittelbaden gehört und vor allem seelisch erkrankte und pflegebedürftige Menschen betreut.
„Die Hub“, wie diese Einrichtung von den Einheimischen genannt wird, liegt im geologisch aktiven Gebiet des Rheingrabens zwischen Schwarzwald und Vogesen, unter dem die afrikanische und die europäische Erdkrustenplatte aufeinanderstoßen, was sich in relativ häufigen, glücklicherweise leichteren Erdbeben bemerkbar macht. Gleichzeitig dringt aus den Tiefen der Abbruchkanten 36° warmes Wasser, das mit einer Natrium-Calcium-Chlorid-Sulfat-Mischung angereichert ist, in einer völlig anderen Zusammensetzung wie unser Trinkwasser, und das in einer Quelle mit seinen heilenden Kräften seit 1470 den Aufbau eines Thermalbads für Kurgäste ermöglicht hat. Etwa 400 Jahre florierte der luxuriöse Badebetrieb für zahlungskräftige Besucher, denen auch ein Ballsaal und ein Casino für gesellschaftliche Zerstreuung zur Verfügung stand.
Linus Maier, stellvertretender Bürgermeister von Ottersweier, begann den spannenden historischen Rundgang am Brunnenhaus und führte die Besuchergruppe dann zum architektonisch bedeutsamen Weinbrenner-Gebäudekomplex, in dessen vorderem Teil neben der Verwaltung die ansprechend gestaltete Palliativ-Abteilung untergebracht ist. Friedrich Weinbrenner (1766 – 1826) war ein bedeutender Architekt und Baumeister des Klassizismus, der in Karlsruhe geboren wurde und auch dort und in dessen Umgebung gewirkt hat. 1810 wurde er vom damaligen Badbesitzer Friedrich Kampmann mit dem Bau dieses ursprünglich repräsentativen Hotelkomplexes beauftragt.
Im imposanten Innenhof des Gebäudes, das dank des großzügigen Mäzens Winfried Krieg zwischen 2005 und 2007 umfassend renoviert wurde, muss sich das Auge an eine architektonische Besonderheit gewöhnen: Um den Schwerstkranken in ihren Betten einen Aufenthalt an der frischen Luft zu ermöglichen, ergänzte man die Fassaden um breite Balkone auf Metallstützen.
Eine äußerst seltene Nutzungs-Umwidmung erfuhr die Kirche der Anlage. Der ehemalige Ballsaal lässt noch deutlich seine ehemalige Bestimmung erkennen, betont durch Tapisserien, einer Galerie und der früher dem Orchester vorbehaltenen und damit großflächigen Orgel-Empore. Der 1893 geweihte Raum wird heute für christliche Gottesdienste genutzt.
In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts ließen die Spannungen mit Frankreich die Zahl vor allem der elsässischen Badegäste spürbar zurückgehen, und außerdem führte die steigende Attraktivität von Baden-Baden dazu, dass die Hub schließlich an die Kreisverbände Karlsruhe und Baden verkauft wurde, die in der Anlage eine „Kreispflegeanstalt für arme Hilflose zur Pflege von dauerhaft körperlich oder geistig Kranken“ einrichteten.
Im notwendig gewordenen Erweiterungsbau „Haus am Park“ waren zunächst nur weibliche Patienten untergebracht, zwischen 1940 und 1982 diente das Gebäude als Lungenheilstätte mit großer Liegewiese davor für die Frischluftbehandlung. Weitere Gebäude, wie Haus Muhrbach für Frauen und das Haus Hornisgrinde, entstanden und 1931 war die Maximalbelegung mit 927 Personen erreicht. Die Hub versorgte sich in Werkstätten und landwirtschaftlichen Betriebsanlagen, zu denen der heutige Aspichhof gehört, weitestgehend autonom.
Im dunkelsten Jahr der Hub, zwischen Februar 1940-Februar 1941, wurden 526 Patienten ins KZ Grafeneck auf der Schwäbischen Alb deportiert und dort mit Gas getötet. Verantwortlich für diesen Massenmord war der damalige Anstaltsleiter Dr. Otto Gerke, der als überzeugter Anhänger der nationalsozialistischen „Rassenhygiene“ persönlich die Liste der zu Deportierenden zusammenstellte. Im Park erinnert eine Marienstatue der Bildhauerin Gudrun Schreiner an diese unglücklichen Menschen. Ein weiteres Mahnmal des Künstlers Manfred Emmenegger-Kanzler verdeutlicht unter dem Titel „Wider das Vergessen“ sinnfällig die Lücken, die diese Menschen in der Gesellschaft hinterlassen haben.
Obwohl einige Gebäude der Hub noch ihrer Sanierung harren, hat sich die Einrichtung heute den Anforderungen der Zeit angepasst und bietet neben allgemeiner Pflege und Palliativversorgung auch umfangreiche Demenzbetreuung auf mehreren Stationen an. Außerdem gibt es Betätigungsfelder für mobile Patienten in Werkstätten und auf dem Aspichhof sowie öffentliche Konzertveranstaltungen im Innenhof.
Nach dem Ende des von Linus Maier mit profunder Sachkenntnis und begeisternder Anschaulichkeit geleiteten Führung begaben sich die Besucher in den denkmalgeschützten Kühnerhof nach Sasbach. 300 Jahre landwirtschaftlicher Betrieb lassen sich in dem beeindruckenden Ensemble aus Mahl-, Sägemühle, Wirtschafts- und Wohngebäude erleben und besichtigen. Neben einem einladenden Kuchenangebot werden im „Mühlenstübel“ auch schmackhafte Vesper serviert, und Cordula Braedel-Kühner weiß anschaulich und lebhaft über das Anwesen und seine wechselvolle Historie zu berichten.
Alle Teilnehmer zeigten sich sehr angetan von dieser berührenden und gleichzeitig abwechslungsreichen Veranstaltung.