Beschauliches Ettlingen mit beeindruckender Architektur: Jahresausflug vom 8. Juni
17 Kolpingmitglieder nutzten den Segen des öffentlichen Nahverkehrs und stiegen pünktlich um 10.41 Uhr bei vielversprechend trockenem Wetter und angenehmen Ausflugstemperaturen in die S-Bahn Nr. 7 ein. Wohltuend störungsfrei verlief auch die nächste knappe Stunde, in denen sich die Teilnehmenden locker plaudernd auf den Besuch des etwa 45 km entfernten Städtchens am Albfluss einstimmten. Es zählt innerhalb seiner Gemarkung rund 10.000 Einwohner mehr als Bühl.
Den gewaltigen Unterschied im Stadtbild allerdings vermittelt schon das imposante Schloss, das zunächst den Ausgangspunkt für die neunzigminütige Stadtführung bildete. Deren Leiterin, Frau Vogel, ließ in ihrer anschaulichen Schilderung die schon zu Römerzeiten bedeutende Siedlung um einen Straßenkreuzungspunkt lebendig werden. Amtlich beurkundet wurde sie, mit dem Namen Ediningom versehen, im Jahre 788 und damit 361 Jahre früher als Bühl.
Spätestens seit 973 ist das Marktrecht nachweisbar, und als „Stadt Ettenigen“ wurde die Siedlung 1219 zum Lehen des badischen Markgrafen Hermann V. Er erhielt es von Friedrichs II., und zum Gedenken an die Stadtwerdung aus staufischer Hand errichtete der Stuttgarter Bildhauer Markus Wolf 2017 auf dem Kurt-Müller-Graf-Platz eine typisch achteckige „Stauferstele“. Im Hochmittelalter gehörte zu einer Stadt auch eine Burganlage zu Verteidigungszwecken, deren Mauerreste noch sichtbar sind.
Diese wurde im 16. Jahrhundert zum Renaissanceschloss umgebaut. Zu dieser Zeit hatte sich auch der heutige Name „Ettlingen“ etabliert. Doch während des Pfälzischen Erbfolgekrieges zerstörten die französischen Truppen Ludwigs XIV nicht nur das Heidelberger sondern auch das Ettlinger Schloss. 1689 wurde dabei auch fast die gesamte Stadt ein Raub der Flammen.
Im Unterschied zu Heidelberg, dessen Fürstensitz danach in ein neu errichtetes dreiflügeliges Barockschloss nach Mannheim verlagert wurde, ließ die Markgräfin Sibylla Augusta 1727 auf den Ruinen der Schlossanlage einen Barockbau als Witwensitz errichten. Der ehemalige Bergfried wurde in verkürzter Form integriert und ist heute noch im Innenhof zu sehen.
Diese Markgräfin Franziska Sibylla Augusta von Lauenburg wurde 1675 zwar im schleswig-holsteinischen Ratzeburg geboren, ist aber nach dem Umzug der Familie in Nordböhmen aufgewachsen. Sie erhielt nicht nur eine Erziehung in höfischer Etikette, sondern auch eine exzellente Allgemeinbildung. Allerdings war ihre Beziehung zu Schwestern und Eltern nicht besonders gut. Als sie 6 Jahre alt war, starb ihre Mutter und ihr Vater, der über Töchter (statt Söhne) nicht erfreut war, folgte seiner Frau, als das Mädchen 14 Jahre alt war. Doch schon 1 Jahr später heiratete sie den 19 Jahre älteren Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden (bekannt als „Türken-Louis“), obwohl Kaiser Leopold I. sie als Braut für Prinz Eugen ausgewählt hatte.
Nachdem ihr Mann 1707 an den Folgen von Kriegsverletzungen verstorben und die Kinder noch klein waren, übernahm Sibylla Augusta die Regentschaft bis 1727. In dieser Zeit entfaltete sie eine rege Bautätigkeit und schuf damit auch Arbeitsplätze. So ließ sie Schloss Favorite bei Rastatt zu Repräsentationszwecken errichten. Mit einer Verwaltungsreform, geschickter Finanzpolitik und einer Schuldenaufnahme auf ihre böhmischen Besitzungen zur Linderung der Not in der Bevölkerung erwarb sie sich deren Anerkennung. Nach ihrem Tod mit 58 Jahren wurde sie zwar im Rastatter Schloss beigesetzt, doch Ettlingen hält sie noch heute in Ehren.
Nicht nur diese Einzelheiten zur Person der Erbauerin vermittelte die kenntnisreiche Frau Vogel auf ihre schon bekannte lebendige Art und in ihrer bilderreichen Sprache während ihrer separaten Führung durch das Schloss. Einen wichtigen Akzent setzte sie außerdem mit der Beschreibung des kunstvollen Stadtwappens. Es zeigt unter einer majestätischen Krone in einem gespaltenen Schild in Gold den badischen roten Schrägbalken sowie Hinweise auf das Kloster Weißenburg, das Ettlingen vor den Markgrafen regierte. Die Stadtfarben Blau-Weiß stammen aus dem Wappen des Bistums Speyer.
Nach der Zerstörung wiederaufgebaut wurde 1732/3 auch die katholische Kirche St. Martin im Zentrum, die über einem römischen Bad steht. Sie weist einen romanischen Turmschaft, einen gotischen Chor und ein barockes Langhaus auf. 1988 wurde die Decke von dem Karlsruher Künstler Prof. Emil Wachter, der u. a. die Fenster der Autobahnkirche Baden-Baden gestaltet hat, in Rekordzeit ausgemalt. Auf 812 qm visualisierte er Motive der Bibel, wie Glaube-Liebe-Hoffnung, und kombinierte sie mit zeitgenössischen Bezügen.
Ettlingen ist heute ein lebendiges Städtchen, das sich gleichzeitig mit einer geschickten Altstadtsanierung den Zauber einer farbigen Beschaulichkeit bewahrt hat. Dazu gehören auch einzelne optische Anreize wie die im Rahmen eines Schulprojekts bunt bemalten Stühle oder der reizvolle Innenhof, in welchem After-Work-Partys stattfinden sowie die überwältigenden, farbenprächtigen Blumenbälle über mehreren Straßen und Gassen der Innenstadt, die bis zum Herbst zu bewundern sein werden. Der Albfluss steuert zu dieser Idylle seine eigenen reizvollen Motive bei.
Nicht nur die arbeitende Bevölkerung, der auch vor Ort in Ettlingen einige namhafte Unternehmen attraktive Arbeitsumgebungen bieten, kann sich am Feierabend prächtig in dieser heimeligen Umgebung und der dazu passenden vielfältigen Gastronomie erholen. Dabei kann man auch den weithin bekannt gewordenen Betrugsskandal um das Ettlinger Unternehmen Flowtex vergessen, der 2000 aufgedeckt wurde.
Die Kolpingsfamilie Bühl traf sich jedenfalls zum Abschluss ihrer umfangreichen Besichtigungen im heutigen Restaurant „Badischer Hof“, früher „Zum Schlappen“ genannt, weil man dort auch in Hausschuhen willkommen war, zu deftigen badischen Genüssen. Dieses gemeinsame Essen verlief genauso entspannt wie der Aufenthalt im Städtchen und die gemeinsame Rückfahrt um 19.18 Uhr mit der S-Bahn. Der herzliche Dank für diesen gelungenen und von allen als bereichernd empfundenen Ausflug galt dem umsichtigen Organisator Utz Wetzel.